Morgen ist es so weit und der Wähler wird bestimmen, wer in den nächsten 4 Jahren die Entscheidungsträger in unserem Lande sein werden. Die Entwicklungen der letzten Wochen und die Erfahrungen der letzten Jahre sprechen sehr stark für eine Neuauflage der Großen Koalition.
Diese Lösung ist in der Tat auch aus konservativer Sicht das geringste Übel. Eine schwarz-gelbe Koalition hat, nicht zuletzt Dank des extremen Linksrutsches, den das öffentliche Meinungsklima in den letzten Jahrzehnten vollzogen hatte, keine reale gesellschaftliche Basis. Selbst eine hauchdünne Mehrheit von Union und F.D.P. – sollte sie überhaupt zustande kommen – hätte schon bei geringfügigen Änderungen des Status Quo – sei es in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, sei es in ethischen Fragen – einen Großteil der Medien, die Gewerkschaften, opportunistische Funktionäre in den Volkskirchen und in der Folge nach ein oder zwei verlorenen Landtagswahlen auch bald den Bundesrat gegen sich. Handlungsunfähigkeit und noch weiter bröckelnde Hemmungen innerhalb der SPD gegenüber einer Volksfrontregierung mit den Linksaußenparteien (Grüne und SED Die Linke) wären die unausweichliche Folge.
Für das Projekt einer „geistig-moralischen Wende“, wie sie die erste Regierung Kohl noch angekündigt hatte, fehlt es in Zeiten rekordverdächtiger Einschaltquoten für „Germanys next topmodel“ und ähnlicher Schmuddelformate, Teilnahmslosigkeit weiter Teile der Gesellschaft gegenüber Angriffen auf die Religionsfreiheit (zB Zwangs-Ethikunterricht in Berlin, linksextreme Ausschreitungen gegen Christival oder Vertreibung von Homeschooling-Eltern), Genderwahns und Kinderfeindlichkeit an jedweder realer Grundlage. Das ist etwa der wesentliche Unterschied zu den USA vor Bushs Wiederwahl 2004.
Selbst wirtschaftspolitische Reformen in Richtung mehr Eigenverantwortung oder weniger Staat scheitern schon im Ansatz, da weite Teile der Bevölkerung lieber ihren Sozialneid kultiviert wissen wollen als real selbst anzupacken, um die eigene Situation zu verbessern.
Dass die SPD nicht jetzt schon eine gemeinsame Mehrheit mit der extremen Linken wagt, liegt wohl weniger an der Angst vor einem – kaum wahrnehmbaren – Gegenwind in der veröffentlichten Meinung, sondern eher an der Furcht, in einer Zeit, da sich die Parteien in Punkto Staatsdirigismus und Linksorientierung wechselseitig zu übertrumpfen suchen, nicht mehr mithalten zu können.
Welche Überlegungen möchten wir von CC also unseren Lesern für ihre morgige Entscheidung an die Hand geben?
Die Optionen Nichtwählen bzw. Ungültigwählen als die unpolitischesten und ineffizientesten scheiden seien hier nicht näher erörtert. Eine solche Möglichkeit auch nur ansatzweise zu erörtern würde die Intelligenz unserer Leser beleidigen. Bleibt die Frage nach dem Für und Wider der anderen Optionen.
Von vornherein ausschließen sollte man als Konservativer die Wahl einer links- oder rechtsextremen Partei, was neben SED Die Linke, MLPD und NPD auch die Melonenkommunisten Grünen und die DVU betrifft. Erörtern wir also die Fürs und Widers aller anderen nennenswerten Optionen:
SPD: Selbst wenn man Persönlichkeiten wie Steinmeier oder Müntefering durchaus für solide halten mag und ein starkes Interesse daran besteht, ihnen den Rücken zu stärken gegenüber den Partei-Linksaußen wie Wowereit oder Wieczorek-Zeul, und auch wenn in Teilen der SPD in letzter Zeit durchaus interessante Entwicklungen zu verzeichnen sind (etwa das erfreulich faire und undogmatische Projekt „Endstation Rechts“ oder die Patriotismusrede des Schweriner Landtags-Fraktionschefs Dr. Nieszery) bleiben aus konservativer Sicht unüberwindliche Barrieren zwischen der Politik der Sozialdemokraten und dem eigenen Weltbild. Vor allem in ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen (Abtreibung, Gender-Mainstreaming, Religionsunterricht etc.), aber auch angesichts der Neigungen nicht geringer Teile der Partei zu Staatsinterventionismus und Bürokratismus würde eine Stimme für die SPD ein Signal in die falsche Richtung darstellen.
F.D.P.: Nicht wenige enttäuschte Unionswähler sehen in den Liberalen einen tauglichen Knüppel, um der Union zu signalisieren, dass konservative Christen auf dem Stimmzettel durchaus nicht alternativlos sind und ihre Stimmen auch anderweitig parlamentarische Geltung verschaffen können. Ein Gastkommentar von Martin Lohmann auf kath.net unterstreicht diese Auffassung. Allerdings stehen der Verlässlichkeit Westerwelles in seiner Haltung zu Schwarz-Gelb und zahlreichen vernünftigen Vorschlägen der Freidemokraten in wirtschaftspolitischen Fragen umso inakzeptablere Positionen in ethischen und gesellschaftlichen Fragen gegenüber, sodass eine Kosten-/Nutzen-Abwägung durchaus nicht für die Liberalen ausfallen dürfte.
CDU/CSU: Die Gründe, der Union die Stimme zu verweigern – von der Papstkritik Merkels über Öffnung zu den Grünen bis hin zur absoluten Konturenlosigkeit in Gesellschaftsfragen – sind in konservativen Foren zur Genüge zur Sprache gekommen. Es sei daher darauf verzichtet, sie noch einmal im Detail zu erörtern. Vielmehr sollen die wesentlichen Gründe genannt sein, trotz allem noch einmal mit Bauchgrimmen für die Union zu stimmen. Das ist ungemein schwieriger. Wer die Union wählt, behindert jedenfalls einen weiteren gesellschaftlichen Linksrutsch, macht das Restrisiko in Richtung Rot-Rot-Grün geringer und unterstützt eine Reihe solider einfacher Abgeordneter, die weithin unbeachtet von den Medien ihr christliches Gewissen überall einbringen, wo es ihnen gefahrlos möglich ist.
PBC/CM/Zentrum/ödp: Die oft dezidiert und ausschließlich auf aus christlicher Sicht wichtige Programmpunkte ausgerichteten Kleinparteien mögen interessante und richtige Ansätze haben. Bundesweite Wahlen haben ihnen jedoch in den letzten Jahren nie Ergebnisse eingebracht, die auch nur in die Nähe der 1%-Marke gegangen wären. Da die genannten Parteien außerdem nur in wenigen Ländern antreten, ist der Effekt einer Stimmabgabe gleich Null.
Piraten: Nicht alles, was gut ist, ist neu und nicht alles, was neu ist, ist gut. Forderungen nach Abschaffung von Immaterialgüterrechten oder nach Straffreiheit für Raubkopierer mögen gerade internetaffinen jungen Leuten auf den ersten Blick als attraktiv erscheinen und Schadenfreude gegenüber Hollywoodgrößen, die auf diese Weise Einbußen erleiden würden, wecken. Andererseits sind aus konservativer Sicht Zweifel angebracht, ob das wirklich die entscheidenden Themen der Zukunft sein werden – abgesehen vom biblischen Gebot, nicht zu stehlen oder seines Nächsten Hab und Gut zu begehren. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich die Piratenpartei ihren medialen Bonus nicht durch politisch unkorrekte Parteinahmen in Wertefragen versauen und im Fall des Falles mit den Wölfen heulen würden. Die peinliche Kniefall-Affäre nach einem Interview mit der Jungen Freiheit, die selbst beim SPD-nahen Portal „Endstation Rechts“ Kopfschütteln ausgelöst hatte, spricht jedenfalls dafür, dass eine Stimme für die Piraten das linke Lager stärkt.
Die Republikaner: Dass die Schlierer-Partei einen sauberen, demokratisch-konservativen Kurs fährt, sich mittlerweile unmissverständlich von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Antiamerikanismus distanziert und völlig zu Recht durch das Verschwinden aus den Verfassungsschutzberichten rehabilitiert ist, spricht sich langsam aber sicher auch zu Skeptikern im bürgerlich-konservativen Spektrum durch. Die REP waren ursprünglich aus der Union hervorgegangen, um aus antikommunistischer Überzeugung heraus gegen den Milliardenkredit von Franz-Josef Strauß an die „DDR“ zu protestieren und das Versäumnis der bundesweiten Ausdehnung der CSU zu korrigieren. Sie sind wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. Was allerdings nicht geleugnet werden kann, ist, dass die jahrzehntelange Erfolglosigkeit die Zukunftsaussichten der Partei nachhaltig eingetrübt hat.
Auch offenbart sich gerade bei den Republikanern jenes Dilemma, das die Konservativen schon vor 20 Jahren betroffen hatte und das in einem – sieht man von den üblichen roten Agitpropfloskeln ab – nicht uninteressanten Beitrag der linksextremen „Jungen Welt“ zur Sprache kommt: „Bereits die beschworene Überlegenheit der westlichen Werte gegenüber dem Islam manövrierte den Konservatismus in ein großes Dilemma. Bei genauerem Hinsehen musste er erkennen, dass das ungeliebte, traditionell geprägte Milieu meist muslimischer Einwanderer in deutschen Städten selbst ein äußerst konservatives Weltbild pflegt. Da deren Integration letztlich der Rassismus der Basis im Weg stand, verblieben zwei Möglichkeiten: die konsequente Liberalisierung oder die Schärfung der christlichen Identität.“
Für Ersteres entschied sich die Union. Zweiteres gelang den REP nicht, nachdem der zu schnelle Erfolg dazu geführt hatte, dass halbseidene Gestalten und Karrieristen die Partei überschwemmt und am Ende in die rechte Ecke und in den Zerfall geführt hatten.
Es wäre also wünschenswert, es vielleicht doch lieber mit der Suche nach Gemeinsamkeiten und der Abkehr von pauschalen Ressentiments gegen Einwanderer aus dem islamischen Kulturkreis zu versuchen. Die Forderung der REP nach einem Kopftuchverbot spielt da jedenfalls den religionsfeindlichen Ultralinken in die Hände und spricht wohl das nationalhedonistische Publikum stärker an als das konservative.
Es wird keine Wahlempfehlung von CC geben. Die obigen Gedanken sollen bloß einen letzten Denkanstoß vor dem Wahltag darstellen.
Kleine Ergänzung: Die Evangelische Allianz hat wieder ihre Wahlprüfsteine „Werte wählen“ veröffentlicht. Die Resonanz der Parteien ließ leider zu wünschen übrig. Eine andere kleine Entscheidungshilfe hat der Verein „Christen an der Seite Israels e.V.“ erarbeitet: Näheres finden Sie hier…